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Zeitgeist | Schreiben ist Bleiben – warum das zeitlos und gerade heute wichtig ist

Studien belegen, dass Schreiben mit der Hand uns lernfähig hält. Im digitalen Alltag müssen wir uns Inseln dafür schaffen. Es lohnt sich – nicht nur für den Kopf.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 2/2024
aus: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 2/24, Copyright: privat

Lesen und Schreiben wird uns ab der ersten Schulklasse vermittelt. Ob beliebt oder nicht, Menschen können zumindest ihr Leben lang Gebrauch davon machen. Heute passiert das, zugegeben, vor allem, wenn es unumgänglich ist – hier und da eine Unterschrift, eine Einkaufsliste, Glückwunschpost oder das Beantworten eines persönlichen Briefes.

Schreibfreu(n)de? Copyright: Michael Burrows, Pexels

Schreiben schafft Freu(n).de Copyright: Michael Burrows, Pexels

Elektronik und KI – Werden wir die Handschrift retten?

Kein Zweifel: Papier muss Elektronik längst weichen, der Stift dem Tippen auf den Tastaturen. Notizen wandern in Notiz-Apps. Seit Ende 2022 ist ein KI-System in aller Munde, das Sprachmodell ChatGPT. Schreibfaule und Unternehmen profitieren, der Arbeitsmarkt möglicherweise ebenfalls: Um Bewerbungsunterlagen oder Briefe zu tunen, taugt das System bereits, wenn das Ergebnis gut geprüft wird. ChatGPT saugt kontinuierlich die freimütig eingespeisten Daten ab, mit denen Microsoft das System bis zum höchsten Passungsgrad weiter trainiert. Ein Knackpunkt: die beruflichen Existenz von Schreibenden. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Und Kinder? Für die Generation Alpha, 2010 bis 2025 Geborene, sind Smartphone, Tablet, App normal. Auch in der Schule. Das hat jede Menge Vorteile: Sie werden in Berufe hineinwachsen, in denen sie von die Vertrautheit mit den Geräten Voraussetzung ist. Über die Nachteile in den Jahren des Wachstums wird viel diskutiert. Fakt ist: Lesen und das Schreiben mit der Hand kommen zu kurz – und hier zeigen Studien: Wird das nur noch eingeschränkt weitergegeben, hat es Folgen.

Je mehr eine Schule ihren Unterricht auf Internet und Computer stützt, desto schlechter die Leistung der Kinder“, sagt Torkel Klingberg, Digitalisierungs-Experte am Karolinska Institut, einer renommierten medizinischen Hochschule bei Stockholm, in einem Interview mit dem SWR. Lese- und mathematische Fähigkeiten leiden also deutlich, wenn nicht gegengesteuert wird.Erwachsene werden Wege finden, die beruflichen Nachteile in Vorteile zu verwandeln, Stichwort lebenslanges Lernen.

Verlag: Penguin

Was, wenn analoge Fähigkeiten nicht mehr vermittelt werden?

Was lässt sich daran ändern? Nicht nur Schreiben, auch Intensives Lesen erfordert Ruhe. Und der Spaß daran wiederum wird kaum entdeckt, wenn er nicht vermittelt und gepflegt wird. Das sollten Eltern an Kinder weitergeben, wenn Lehrerinnen und Lehrer es nicht mehr in ausreichendem Maße tun (müssen).
Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, sind ein so netter wie wichtiger Lohn.

In ihrem Buch Schnelles Lesen, langsames Lesen schreibt Maryanne Wolf über Erkenntnisse zum Leseprozess angesichts digitaler Alternativen: „Information, die Menschen unablässig als oberflächliche Unterhaltung berieselt, bleibt an der Oberfläche und steht wahrem Denken womöglich eher entgegen, statt es zu vertiefen.“ Für die Bereitschaft, die Dichte klassischer Literatur in sich aufzunehmen, sind das schlechte Vorzeichen.

Papeterie Perjac Paris
Papeterie Perjac, Paris – Schreibwarenläden bleiben uns hoffentlich noch lange erhalten. Copyright: privat

Unser Denken anstoßen zu lassen durch analoge Routinen, durch Schreiben, Lesen – dazu braucht es nicht viel. Ein paar Zeitinseln. Engagierte Lehrer, denen wieder Zeit und Raum dafür gegeben wird. Anreize schaffen. Und für alle: Die Geräte im Wechsel damit nutzen.

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