Caroline Weaver eröffnete 2015 einen besonderen Laden im East Village in New York: „CW Pencil Enterprise“. Hier verkaufte sie Bleistifte und alles, was dazu gehört. Ein Laden für Passionierte – der 2021 schließen musste. Ich sprach 2018 mit ihr. Damals war noch keine Pandemie absehbar. Hier unser Gespräch.
Bleistifte waren schon als Kind ihre Leidenschaft. Alles begann mit „Prismalo“-Buntstiften von Caran d’Ache, die sie als Kind geschenkt bekam. Von da an nahm die Passion ihren Lauf. Caroline studierte Kunst am Londoner Goldsmiths College, eröffnete 2015 ihren Laden und schrieb 2017 ein Buch über den Bleistift. Es erschien recht bald international im Gestalten-Verlag.
Caroline, seit wann sind Schreiben und Zeichnen ein so bedeutender Teil deines Lebens?
Ich stamme aus einer ziemlich kreativen Familie und ging später zur Kunsthochschule. Insofern ja. Aber in erster Linie benutze ich Bleistifte für die alltäglichen Aufgaben: Ideen notieren, Tagebuch führen, To-do-Listen schreiben. Lauter kleine Dinge wie diese.
Wann hast du dich entschieden, den Bleistift zum Beruf zu machen?
Die Idee zum Laden kam mir schon vor über sieben Jahren. Damals war mein heutiger Job in meiner Vorstellung so etwas wie der ultimative Fake-Traumjob. Also einer, den man wohl ohnehin nie machen wird. Erst vor vier Jahren begann ich ernsthafter darüber nachzudenken. Plötzlich stellte ich fest, dass die Idee, einen Bleistiftladen zu führen, alles andere als abwegig war. Ich habe ein gutes Jahr lang recherchiert und mich herangetastet, ehe ich schliesslich wirklich den Laden eröffnete. Ich wollte sichergehen, dass alles passt.
In deinem Laden „CW Pencil Enterprise“ in der Orchard Street, Lower East Side verkaufst du eine große Bandbreite an Bleistiften. Wer sind deine Kunden?
Zu uns kommen alle möglichen Leute – Musiker, Schreiber, Redakteure, Texter, Künstler, Kinder. Sie haben etwas gemeinsam: Sie schätzen analoge Dinge und die schöne alte Art, von Hand zu schreiben. Viele kommen auf der Suche nach Zubehör rund um den Bleistift zu uns oder wenn sie ein spezielles Problem haben. Da helfen wir natürlich gern. Ich finde, wir haben unverschämtes Glück: In den Bleistiftladen kommen Leute, die einfach gut drauf sind, nie grummeln oder stressen. Sie sind einfach glücklich darüber, dass es einen Laden wie „CW Pencil Enterprise“ gibt. Die Arbeit mit ihnen und für sie macht irrsinnigen Spass.
Welche Qualität hat dein persönlicher Bleistift-Favorit?
Ich persönlich schätze eine Härte B oder etwas Vergleichbares. Meine Bleistifte müssen ein wenig weicher sein. Sie sollten aber nicht schmieren, weil ich meistens mit ihnen schreibe. Es gibt ein paar härtere Bleistiftvarianten aus Japan, die ich sehr mag, weil sie wie weiche Bleistifte daherkommen und sich auch so anfühlen, eigentlich aber einen größeren Härtegrad besitzen.
Und in welcher Farbe hast du Bleistifte am liebsten?
Ich benutze jede Menge Bleistifte in einem Zinnoberrot – ein kräftiges Rotorange ist meine liebste Farbe. Das ist eine etwas sanftere Variante des roten Bleistifts, den ich zum Editieren von Dingen oder für Notizen einsetze. Gerade habe ich übrigens einen ganz speziellen Bleistift für Caran d’Ache entworfen. Er nennt sich „Editor“ und hat eine Bleistift- und eine rote Buntstiftseite. Er ist ganz klar mein Favorit.
Gibt es Bleistiftmarken, die du favorisierst?
Caran d’Ache aus der Schweiz hat definitiv einen Platz in meinem Herzen, weil ich Stifte seit meiner Kindheit mag und sie mich seither begleiten. Ausserdem liebe ich Bleistifte der General Pencil Company, die älteste noch existierende amerikanische Bleistiftmarke. Sie ist im Familienbesitz ist liegt in der Nähe von New York City. Sie fertigen wirklich hübsche Dinge. Japanische Bleistifte sind von wahnsinnig guter Qualität, hier erwähne ich gern Tombow. Das sind sehr exquisite Bleistifte, die auch noch gut aussehen. Besonders der Mono 100!
Welche Geschichte oder welches Geheimnis verbindest du persönlich mit dem Bleistift? Erklärt dies deine Faszination etwas genauer?
Genau genommen begann meine Liebe zu diesem Stift mit der Dose Caran d’Ache-Buntstifte, die ich mit sechs Jahren von meiner Mutter bekam. Denke ich darüber nach, habe ich vor allem diese Dose vor Augen. Nach und nach lernte ich von unterschiedlichen Seiten mehr über Bleistifte und Buntstifte und ihre Geschichte. Das wurde wie selbstverständlich mein Thema.
Welches Papier benutzt du zum Schreiben?
Ich verbringe einen grossen Teil des Alltags mit meinem Tagesplaner, ein Smythson Soho Diary. Für den Job benutze ich sehr gern die Shorthand-Notizbücher der Iron Curtain Press, einem Buchdrucker aus Los Angeles. Auch Midori stellt tolle Papierwaren her. Ich liebe ihre MD Notebooks.
Worin transportierst du deine Bleistifte, wenn Du auf Reisen bist?
Wenn ich reise, habe ich ein Federmäppchen mit drei bis fünf Bleistiften, einem Buntstift, einem kleinen Anspitzer, einem Radiergummi und einem Bleistiftverlängerer dabei. Ich mag ein grösseres Mäppchen von Nähe, das ist aus Plastik und kann abgewischt werden, wenn es mal schmutzig wird. In dieser Hinsicht bin ich minimalistisch. Wenn ich beruflich reise, habe ich jedes nötige Notizbuch mit, bei Freizeittrips dagegen ist ein Reisejournal von Shinola mein Begleiter.
Welches Land hat eine besondere Bleistift-Historie?
Für mich haben die USA die spannendste Bleistift-Historie. Vielleicht ein Vorurteil? Doch vieles der Geschichte hier ist tief in der industriellen Revolution verankert und hat mit Familienmitgliedern europäischer Bleistifthersteller zu tun, die ins Land kamen, um von den vielen Zedern hier zu profitieren. Ich sage gern: Die Deutschen erfanden den Bleistift, die Amerikaner haben ihn perfektioniert. Leider gibt es nicht mehr viele Bleistifthersteller in den USA, teilweise wegen der Globalisierung. Das wiederum ist auch ein interessanter Teil der ganzen Geschichte.
Gibt es spannende Bleistiftpläne in deinem Shop für 2018?
In diesem Jahr kommen jede Menge neuer Produkte heraus. Ausserdem stehen im Laden viele Events an. Doch um ehrlich zu sein: Ich bin sehr zufrieden so, wie es gerade ist. Mehr als einen Laden möchte ich gar nicht haben. Lieber widme ich mich dem einen voll und ganz. Das ist es. Die ganze Sache würde mir vermutlich nicht mehr so viel Freude machen, wenn sie zu stark wächst.
Deine Empfehlung für Bleistift-Neulinge?
Das hängt davon ab, mit welcher Hand sie schreiben, was sie mit Bleistiften normalerweise tun und welche Vorlieben da sind. Bei uns gibt es Probiersets einiger Dinge. Ein guter Startpunkt ist ein Stift mit solidem Härtegrad, vielleicht ein japanischer. Neulinge bekommen bei uns jede Menge guter Hinweise mit auf den Weg. Darin steckt all das wertvolle Wissen darüber, wie Bleistifte gemeinhin so genutzt werden. Wissen, das wir von unseren Kunden bekommen.
UPDATE:
2021 entschloss sich Caroline Weaver, ihren kleinen Laden in Soho zu schließen. Ganz überraschend kam das Aus nicht. Sie trug sich zwei Jahre mit dem Gedanken. Dann waren die wirtschaftlichen Einbußen zu groß. Es sei nahezu unmöglich, schreibt sie auf ihrer Website, ein stationäres Geschäft am Laufen zu halten in einer Welt, die voll ist mit Amazon-Boxen. Ein trauriges Zeugnis in einer immer ärmer werdenden Welt. Der Wortlaut im Original ist nur ein Teil ihrer Aussagen:
Caroline Weaver, 2021
Weitere Informationen:
Buch The Pencil Perfect. The Untold Story of a Cultural Icon, gestalten 2017, 29,90 Euro
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