Buchrezensionen gibt es in vielen Formaten: auf Literaturplattformen, in Magazinen, Zeitungen, Social Media. Gallus Frei-Tomic malt und schreibt sie. Seine „Literaturblätter“ kommen auf Wunsch per Post.
Seit vielen Jahren betreibt Gallus Frei-Tomic die Website literaturblatt.ch. Für Aufsehen sorgen bei Buchliebhabern aber vor allem seine „Literaturblätter“: Rezensionen von je vier Büchern auf Papier, von Hand geschrieben und gezeichnet. Gallus ist Lehrer, Literaturvermittler und Veranstalter. In seiner Freizeit engagiert er sich im Kulturrat seiner Heimatstadt Amriswil im Thurgau – wenn er nicht gerade in einem Buch versunken ist.
Zeitgenössische Literatur, mit dem Kugelschreiber auf ein Blatt gebannt
Wie kam es zu seinen Literaturblättern? „Ich lese viel. Und was mir gefällt, rezensiere ich.“ Nicht alles davon wird zu Kunst. „Auf den Literaturblättern finden sich die Bücher, die über allen anderen thronen,“ sagt Gallus. Es sei sozusagen ein Ehrenplatz. Fünf bis sechs Literaturblätter verschickt er pro Jahr an Abonnenten. „Wenn die jeweils vier Bücher feststehen, beginnt im Kopf die Suche nach der richtigen Umsetzung, der passenden Gestaltung.“
Auf seinem 38. Literaturblatt stellt Gallus Bücher von Tim Krohn, Carmen Stephan, Nina Jäckle und Linda Boström Knausgård vor. „Ich möchte Büchern eine Stimme geben, die mich in besonderer Weise berühren, Büchern und Autoren, denen in den Medien die grosse Bühne verwehrt bleibt,“ erklärt er. Die Gestaltung eines Literaturblattes festzulegen, sei immer wieder anders. „Beim 38. Literaturblatt fiel mir das nicht schwer, obwohl das Bild in der Mitte mit den vier Büchern nicht in direktem Zusammenhang steht. Das Porträt des grossen Franz Hohlers war ein Geschenk an ihn zu seinem 75. Geburtstag.“ Hohler sei übrigens ein Abonnement des kleinen Literaturblatts.
Jeder Abonnent unterstützt sein Geschäft, das er mit viel Aufwand neben seinem eigentlichen Beruf als Lehrer betreibt. Es könnten mehr Abonnenten sein, findet er. Immerhin sei er durch das Internet sichtbarer als ohne. Begonnen hat das alles gar nicht mit Blatt und Stift, sondern am Computer. „Zuerst schrieb ich vier Kurzrezensionen mit meinem Computer und fügte Bildmaterial dazu. Viele Empfänger dachten aber, ich hätte die Rezensionen wie das Bildmaterial einfach aus dem Netz kopiert.“ Ein Irrtum, der Gallus Frei dazu brachte, sein Verfahren umzustellen. „Ich begann, die jeweils vier Buchempfehlungen mit Kugelschreiber auf A4 zu schreiben und zu gestalten.“ Der Kugelschreiber der Marke Caran d’Ache sei dabei Pflicht. „Einmal verlor ich meinen Kugelschreiber in Norddeutschland. Darauf folgte eine erfolglose und ernüchternde Suche nach einem ebenbürtigen Ersatz.“
„Ich zeichne und schreibe und bin ganz mein Tun“
Sein Arbeitsort ist die eigene Bibliothek. Hier, in seiner „Kammer“, schreibt und zeichnet er seine Literaturblätter, „umgeben von meinen Freunden, meinen Büchern, übrigens ausschliesslich signiert – Zeugnisse von vielen, vielen Begegnungen mit Literatur ganz nah.“ Die Arbeit mit Kugelschreiber und kleiner Schrift erfordere höchste Konzentration, sagt er. „Nicht nur einmal musste ich ein Literaturblatt vernichten, weil sich nicht zu korrigierende Fehler einschlichen. Eine Arbeit, die mich absolut absorbiert und die ich meist gegen meinen Willen unterbrechen muss, um nicht einen restlos steifen Nacken einzufangen. Ich zeichne und schreibe und bin ganz mein Tun. Meist sind es mehr oder weniger als zwölf Stunden intensivste Arbeit. Dann kopieren, mit Worten auf der Rückseite ergänzen, adressieren, eintüten, frankieren – und ab auf die Post.“
Schreiben und lesen kann er überall. „Ich verlasse das Haus nie ohne Buch. Ginge ich weg ohne Brieftasche, wäre das Unglück kleiner als ohne Buch. Sitze ich im Zug, wird mein Lesen neben all den grossen und kleinen Bildschirmen zur Demonstration.“ Alle 180 Bücher auf den bisher 45 Literaturblättern von Gallus Frei zusammen ergäben eine gute Bibliothek, findet er: „Eine, mit der man sich gerne auf eine Insel zurückziehen würde.“
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