Was gibt es Schöneres, als mit dem Handwerk ins Jahr zu starten, das Papier und Buchstaben ehrt? In der Druckerey von Martin Z. Schröder in Berlin-Weißensee entstehen im Bleisatz Karten, Visitenkarten, Briefpapier und mehr. Letterpress in Reinform. Ein Werkstattbesuch.
Es ist wie ein Eintauchen in eine alte Welt. Umgeben von Papier, alten Druckerpressen und unzähligen Schrifttypen, die in Holzkästen lagern, steht Martin Z. Schröder. Er trägt Hemd und Krawatte, darüber eine Schürze. Zwei Heidelberger Tiegel stehen zum Drucken bereit. Die Maschinen sind die Herzstücke der Werkstatt. Sie pressen den Bleisatz in hochwertige Papiere. Es entstehen Einladungen, Exlibris, Karten, Bücher, Holzstiche.
Die Druckerey ist über Berlin hinaus bekannt. Sie liegt im Komponistenviertel in Weißensee. Ganz in der Nähe ist der größte jüdische Friedhof Europas. Vom Trubel Ostberlins ist in dieser Gegend nicht viel zu merken. Seit 2013 hat Martin Z. Schröder hier, in der Meyerbeerstrasse, seine Werkstatt. Besucher empfängt Nachbars Kater – und Abgeschiedenheit. Bald ist klar: Schröder braucht einen Ort wie diesen. Denn Papiere, Farben, Bleilettern sind nicht alles. Die Kunst des Buchdrucks, Letterpress, braucht vor allem eines: Zeit.
Die Lyrik des Drucks
Als Bleisatz-Drucker vertritt Schröder ein Kunsthandwerk, das in Deutschland kaum noch ein Drucker beherrscht. Mit seinen Heidelberger Tiegeln bannt er in guter alter Letterpress-Manier ganz unterschiedliche Dinge auf Papier. Adressen, Firmenlogos, Motive zu allerlei Anlässen. Im Karten-Angebot sind Karten mit Zeilen von Goethe, Max Goldt oder Theodor Fontane. Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt.
„Bleilettern in Garamond gesetzt, das Initial aus Saphir, die Überschrift aus den so elegant tanzenden Versalien der kursiven Garamond“, beschreibt Schröder die Karte oben zu Theodor Fontane. „Gedruckt in vier Farben auf einen schottischen Feinkarton. Die Karte wird ausgeliefert mit einem belgischen Kuvert aus Baumwollpapier mit einfarbigem Seidenfutter.“ So hat schon der Druck selbst seine Lyrik.
Ein Marabu mit Buch, die Tiere des Waldes, ein Steckenpferd auf Papier: Viele Motive in Schröders Angebot hat Hans-Joachim Behrendt gefertigt. Er ist Holzstecher in Zingst. Seit vielen Jahren entstehen in der Druckerey Behrendts Motive. In denen treffen schon mal die Tiere des Waldes ihren Gott, Pan. Hirsche, Eulen, Löwen sehen sich zum Rendezvous.
Früher Hang zur Schwarzen Kunst
Mit Visitenkarten fing alles an. Als Martin Z. Schröder 14 war, besuchte er nach der Schule die Arbeitsgemeinschaft eines Druckermeisters. Im Pionierpalast in Ostberlin, einer DDR-Freizeiteinrichtung, brachte er interessierten Schülern sein Handwerk bei. „Ich hatte eine grosse Zuneigung zu diesem alten Meister“, sagt Martin Z. Schröder. „Erwachsene, so waren wir es gewohnt, wollten einen erziehen und zu einem besseren Menschen machen. Das hat ihn nicht interessiert. Er vermittelte uns nur seine Liebe zu diesem Handwerk.“ Schröder entdeckte seinen Hang zur Schwarzen Kunst.
In der Werkstatt im Pionierpalast stand eine alte Druckerpresse. Bald schon versorgte er seine gesamte Schulklasse, dann seine Familie mit Visitenkarten. „Mit 16 sagte ich zu meiner Mutter: ‚Entweder besorgst du mir so eine Lehrstelle – oder du bekommst einen asozialen Sohn.’“ Die Mutter, Kinderbuchlektorin, fand die Lehrstelle. Der Sohn lernte Schriftsetzer und Buchdrucker.
Viele Jahre ging er seinem Beruf im Akkord nach. Er begann morgens früh und stand bis zum Nachmittag. Das verlangte die Tätigkeit. Nach Feierabend, der genau genommen keiner war, taten ihm die Füße weh. „Mit Mitte zwanzig fand ich es armselig, abends so fertig zu sein.“ Er begann, eigene Auftragsdruckarbeiten anzunehmen. Stellte 1994 die erste kleine Presse in seine Wohnung. Eröffnete 2013 eine Werkstatt in Pankow, siedelte um nach Weißensee. Es kam zur Druckerey.
Visitenkarten als Schmuckobjekte
Martin Z. Schröders Erzeugnisse leben von ihren Bezügen zur Buch- und Dichtkunst und zu besonderen Bildmotiven. Die Karten und Drucke entstehen in Kleinauflagen. Die Nachfrage ist gross. Gerade sind vor allem Visitenkarten gefragt. „Früher dauerte eine Bestellung für Visitenkarten zehn Minuten, ihre Herstellung zwei Stunden. Heute vergehen dafür Tage,“ sagt der Drucker. Erst fertigt er Entwürfe, dann folgen das Prägen, der Farbschnitt, mehrfarbige Drucke. „Schon 1830 bestellten reiche Damen bei Stahlstechern und Kunststechern Visitenkarten mit Bordüren. Sie zeigten Status und Prestige.“ Schröder braucht heute oft bis zu 12 Entwürfe, bis ein Design für Kunden stimmig ist.
Eine Arbeit wie im Mittelalter
Das Flair des Alten umgibt Besucher in dieser Werkstatt auf Schritt und Tritt. Denn das Druckerhandwerk hat sich seit dem Mittelalter kaum verändert. „Ich fühle mich sehr verbunden mit meinen Vorgängern. Zu Albrecht Dürers Zeiten gab es den Holzstich ja schon. Die Handwerker hatten andere Maschinen. Aber das Herausarbeiten eines Motivs auf dünnem Papier, den Holzstich bearbeiten, Farbe anrühren – diese Arbeiten wurden schon vor 500 Jahren so gemacht.“
Zugleich ist Druckerey modern. Schröder hat digitale Schriften in seinem Schriftbestand. Er schreibt einen Blog, führt einen Onlineshop. Und kooperiert nicht nur mit Hans-Joachim Behrendt, sondern auch mit Künstlern wie dem dichtenden Schauspieler Franz Dinda. Der entwarf vor einigen Jahren eine Grusskarte mit dem Titel „Aus Überdruss an Emails“. Schröder nahm sie in Serie.
Andere Motive entstehen mit der Künstlerin Barbara Wrede. „Dazu gehört eine Glühbirne, ursprünglich für eine Lichtgestaltungsfirma entworfen, die diese zu Weihnachten an ihre Kunden verschicken wollte“, sagt Martin Z. Schröder. Er mag es, wenn Firmen sich Gedanken darüber machen, wie ihre Post sie repräsentieren soll.
Schreiben ist Blei
Schreibt er auch selbst? „Heute nur noch selten“, sagt der Drucker. Er kennt allerdings die Momente, in denen das Schreiben seine zeitlose Bedeutung zeigt. „Ich sammle Krawatten. Die bestelle ich schon oft den USA. Am meisten freue ich mich, wenn ich die Sendungen auspacke. Ihnen liegen handgeschriebene Grüsse bei. Immer.“
Altes vergeht nicht. So steht der Drucker aus Weissensee neuerdings selbst mit Kindern am Setzkasten. Eine Stiftung fördert seine Idee, schlecht lesenden und schreibenden Grundschulkindern das Schreiben mit Bleisatz und Buchdruck zu vermitteln. Schreiben ist eben auch Blei: „Immer wieder am Setzkasten, beim Alphabet zu landen, diesem phantastischen Code aus 26 Zeichen, der es uns erlaubt, Ideen aufzuschreiben und Geschichten zu erzählen.“
Informationen:
http://www.letterpress.berlin
http://blog.druckerey.de/
Buchtipp:
Martin Z. Schröder, Stilkunde der kleinen Drucksachen, 2015, Verlag zu Klampen, 18 Euro
Bildquellen: Martin Z. Schröder, Verlag zu Klampen
Ich suche zur Zeit einen Betrieb, wo man auch Feinkartonagen anfertigen lassen kann. Ich finde es sehr inspirierend zu lesen, wie man schon in so einem jungen Alter seine Passion entdeckt. Mit so jemandem zusammen zu arbeiten, garantiert doch einen guten Erfolg.