Hat Papier einen besonderen Geruch? Ja, unbedingt! Parfumeure und Designer haben die Verbindung von Duft und Papier längst entdeckt. Voilà: Papier-Parfum, Duftpapier für den Raum – und wohlriechende Bleistifte. Das Herz von Schreibliebhabern dürfte damit höher schlagen.
„Riechst du beim Lesen immer am Papier?“ Diese Frage stellten Freunde mir regelmäßig. Und ich bejahte sie stets. Der Grund? Buchseiten und meine Nase sind seit jeher untrennbar verbunden. Bei neuen Büchern ist die Verbindung von Papier und Tinte ganz besonders präsent. Bücher aus dem Ravensburger Verlag rochen für mich zum Beispiel früher anders als die von Beltz & Gelberg oder dtv. Es lag natürlich an der Papierqualität. Am Druck. Insofern war neuerlich auch mein Besuch der Druckerey in Berlin ein kleines Dufterlebnis. Klingt das vertraut für Sie?
„Der stille Geruch von Papier“
Mich freut, dass ich mit meiner Vorliebe nicht allein bin. Auch andere machen sich etwas aus dem Duft von Papier. Einige Parfumeure versuchten sich bereits daran, den Duft nachzukredenzen und in Flaschen unterzubringen. 2012 kam „Paper Passion: Perfume for Book Lovers“ in limitierter Edition auf den Markt. Es lag in einem Buch versteckt. Das ist inzwischen vergriffen.
Den Duft schuf der Berliner Parfumeur Geza Schön. Sein Ziel: den besonderen Geruch frischgedruckter Bücher in einem Parfum einzufangen. In der Druckerei des Göttinger Steidl Verlags ließ er sich inspirieren. Steidl und das Wallpaper Magazine taten sich zusammen, und so kam das Parfum zusammen mit dem Buch Paper Passion auf den Markt. Zwischen den Buchdeckeln lagen 32 Seiten Text und die Parfumflasche in einer Aussparung. Layout: Karl Lagerfeld. Der Modedesigner hatte das Ganze eine Hommage „an den stillen Geruch von Papier“ genannt. Mittlerweile ist das Buch vergriffen.
Der Duft von Büchern in „Replica – Whispers in the Library“
Seit 2019 gibt es einen neuen Bücherduft. „Replica – Whispers in the Library“ (Maison Margiela Fragrances). Der Unisex-Duft soll charmant an alte Bücher erinnern. Er besteht aus einer Komposition aus Pfeffer, Tonkabohnen und Zedernholz. Namensgeber des Hauses ist der belgische Designer Martin Margiela.
Er hat sein Label „Maison Margiela“ übrigens längst abgegeben. Auch die Düfte kommen heute von L’Oreal. Doch wer Büchern so treffend huldigt, hat etwas richtig gemacht.
Ein Raumduft auf Papier: „Papier d’Armenie“
Natürlich ist Papier auch selbst ein prima Duftträger. Zum Beispiel das französische Duftpapier „Papier d’Arménie„. Er gilt als der einzige Raumduft der Welt auf Papier und hat Fans weltweit. Die Funktionsweise ist einfach: Einer der kleinen, sinnlich duftenden Papierstreifen aus dem Büchlein wird so oft gefaltet, bis er einem Akkordeon ähnelt, dann kurz angezündet und gleich wieder ausgepustet. Das Papier beginnt zu verglimmen, Duft entfaltet sich im Raum. Er soll den Enthusiasmus fördern.
Benzoe, Weihrauchharz, Myrrhe, Vanille: So duftet das armenische Papier
Seit 1885 wird das Papier d’Arménie in einer kleinen Werkstatt am Rand von Paris hergestellt. Die Geschichte dazu mutet märchenhaft an. Der Franzose Auguste Ponsot bereiste im 19. Jahrhundert den Orient. In Armenien erlebte er einen interessanten Brauch. Um Gerüche aller Art zu tilgen, parfümierten die Menschen ihre Häuser mit dem Rauch des flammenden Harzes vom Styrax-Baum, dem Benzoe. Es erinnert an Weihrauch. Auguste Ponsot war angetan. Mit dem Pariser Apotheker Henri Rivier entwickelte er Benzoe weiter. Sie lösten das Harz in Alkohol, gaben Weihrauchharz, Myrrhe, Vanille dazu. Dann tränkten sie Papier darin. Das trockneten sie, pressten und schnitten es. Das Papier ließ sich abbrennen – und verbreitete dabei seinen charakteristischen Duft.
Heute besteht das Team von Papier d’Arménie aus rund 15 Personen um Geschäftsführerin Mireille Schvartz. 2,2 Millionen Papierbüchlein pro Jahr verlassen die Werkstatt. „Der Großteil unserer Kunden lebt in Frankreich“, sagt Mitarbeiterin Eva Monnet. „Hier kennen und nutzen die meisten Familien unser Papier. Unsere Produkte verkaufen wir aber auch in Spanien, Belgien, der Schweiz, Deutschland, Japan, Korea und den USA.“ Neben dem klassischen Papier d’Armenie in drei Duftvarianten gibt es mittlerweile auch Duftkerzen.
Bleistifte mit dem Duft der Schulzeit – Zedernholz und Madeleines
Wer Papier und Schreibwaren schätzt und diesen Hang zum Duft besitzt, kann auch zum Bleistift greifen. Denn manche entführen uns mit ihrem Geruch in die Kindheit, ins Klassenzimmer, zu den ersten Schreibversuchen. Vielleicht ist es auch der Duft frisch gespitzter Bleistiftminen, der Menschen überall auf der Welt jederzeit anspricht. Die limitierte Bleistift-Edition „Les Crayons de la Maison ed. No. 6“ des Schweizer Stiftspezialisten Caran d’Ache verlässt sich nicht auf den Bleistift allein: Sie verströmt einen Duft, der uns in die Schulzeit versetzen soll. Er heißt, ganz passend, ist „Mémoire d’Ecolier„.
„Die Bleistifte verströmen den Duft von Zederholzduft aus Schuletuis und von gebranntem Zucker“, heißt es bei Mizensir in Genf. „Prousts Madeleine ist die regressive Note dieses Duftes.“ Der Duft wurde von Chefparfumeur Alberto Morillas ursprünglich für eine Reihe von Duftkerzen komponiert, ehe Caran d’Ache ihn gemeinsam mit Morillas für seine Bleistift-Edition auswählte. Und Prousts Madeleines? Vielleicht erinnern Sie sich: Madeleines sind das süße französische Feingebäck, das im Roman-Epos Auf der Suche nach der verlorenen Zeit des Schriftstellers Marcel Proust zu einer gewissen Ehre kam. Darin versetzt ein kleines Stück des Gebäcks den Ich-Erzähler unmittelbar zurück in seine Kindheit. Insofern haben die Bleistift-Aromen aus der Schweiz ihren Reiz.
Die Bleistifte der Stärke 4HB sind aus Ayou- und Lindenholz gefertigt. Ihre Maserung ist ein Zeugnis des Herstellungsprozesses. Sie wurden in Lamellen erarbeitet und roh belassen, um der Natur so nah wie möglich zu sein. Ihre Produktion lag vor allem in den Händen von Eric Vitus. Er leitet die Abteilung „Forschung und Entwicklung Color“ bei Caran d’Ache in Genf. In der Endphase der Produktion wurde den Bleistiften das Parfum zugegegeben. So durchwehte ein angenehmer Duft von süßem Zedernholz die Werkstätten.
Die Produktion von Bleistiften hat etwas Einzigartiges. Die „Crayons de la Maison ed. No. 6“ zu produzieren, dauerte insgesamt sechs Wochen. Ihr Bestand: rund 40.000 Bleistifte. Noch mehr über die Welt des Bleistifts gibt es in meinem Interview mit Caroline Weaver!
Weitere Informationen:
Parfum „Paper Passion“: gesehen bei Sinnesdüfte Stebler, Chur (Schweiz)
Parfum „Replica: Whispers in the Library“, zu finden bei ausgewählten Händlern
Bleistifte von Caran d’Ache, zu finden bei ausgewählten Händlern
Zum Lesen (und Riechen):
Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Suhrkamp 2017
Wo kann ich diese Duft-Papierchen in Heidelberg kaufen?
Liebe Frau Fießer, Sie finden die Papiere vorwiegend im guten Online-Handel, zum Beispiel bei diesen Händlern:
https://www.manufactum.de/papier-darmenie-triple-a58001/ (betreibt auch Ladengeschäfte, u.a. in Stuttgart und Hamburg)
http://rsvp-berlin.de/collections/geschenke/products/papier-darmenie-duftpapier-tradition
Liebe Grüße!