Erster Satz aus Anne Weber, Kirio. Credits: Hotel Wedina

Lebensfreude | Bücher, Kalligraphie und Gutenacht-Geschichten: das „Hotel Wedina“ in Hamburg

Credits: Hotel Wedina/Nina Struve

Hier hinein darf im geschichtsträchtigen November 2020 leider kein Tourist: das „Hotel Wedina“ im Hamburger Stadtteil St. Georg. Doch seine fünf bunten Häuser an der Aussenalster wecken zu jeder Zeit das Interesse potenzieller Besucher. Grund? Hier steckt die Liebe zur Literatur in jedem Winkel. Dazu gehört eine besondere Vorliebe für den ersten Satz in der Literatur.

Noch immer bestimmt die Pandemie den Alltag. Umso wichtiger ist es, sich hinzuträumen in die Zeit, in der der eigene Radius wieder ausgedehnt werden kann. Zum Beispiel Richtung Norddeutschland. Gerade dürfen zwar nur Geschäftsleute das Rote, Gelbe, Grüne oder Blaue Haus die Zimmer und Apartments des Hotel Wedina in Hamburg zum Wohnen und Arbeiten mieten. Doch der Winter ist endlich. Und dann gibt es hier viel zu entdecken. (Nicht nur einen wundervollen Garten im Sommer!)

Rotes Haus. Credits: Hotel Wedina, Hamburg
Rotes Haus. Credits: Hotel Wedina, Hamburg
Credits: Hotel Wedina, Hamburg
Credits: Hotel Wedina

So hat jedes der Häuser des Hotel Wedina mit seinen insgesamt 54 Zimmern eine thematische Ausrichtung. Das Blaue Haus ist das Haus der reisenden Schriftsteller. Jedes der 14 Zimmer hier ist einem anderen Autor gewidmet. Im Grünen Haus dreht sich alles um avantgardistische Architektur und Bücher rund um die Farbe Grün. Das Gelbe Haus ist thematisch der Stadt Hamburg gewidmet. Und das Rote Haus birgt unter anderem die gut bestückte Leihbibliothek des Hotels mit rund 300 signierten Erstausgaben.

Die literarische Tradition gibt es hier schon, seit das Hotel Wedina 1999 eröffnete. In Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Hamburg veranstalten die Gastgeber seither beliebte Events wie ein jährliches Lesefest, Lesungen und regelmäßig ein Lesefrühstück. Doch vor allem beherbergen sie in ihren 54 Zimmern gern und regelmäßig auch bibliophile Gäste wie Schriftsteller aus aller Welt. Die Leihbibliothek wächst und wächst.

„Das angenehmste Hotel Hamburgs“ – so nennt Daniel Kehlmann das Wedina in einer Buchwidmung

Auch das geschriebene Wort hat hier seinen Platz. Jeder Gast mit mehr als zwei Nächten Aufenthalt findet in seinem Zimmer einen handgeschriebenen Willkommensgruß. „Wir mögen es, diese persönliche Note zu schreiben,“ sagt Silvia Reiter-Lobsiger, die einstige Geschäftsführerin und dem Hotel bis heute eng verbunden. „Je nach Hintergrund schreiben wir unterschiedliche Grüße auf eine Karte, wünschen eine schöne Zeit bei uns Aufenthalt oder geben individuelle Hinweise.“

Credits: Hotel Wedina

Seit dem Sommer 2020 bieten die 24 Zimmer des Roten Hauses eine Besonderheit: Auf den Schreibtischen liegen lederne Unterlagen, die die Hamburger Kalligraphin Jeannine Platz mit je einem ersten Satz aus verschiedenen Büchern beschrieben hat. Die hat das Hotel als Erstausgaben alle vorrätig – zum Beispiel von Anne Weber, Colm Toibin, Terezia Mora oder John von Düffel. Das Projekt „der erste Satz“ entstand im Sommer 2020.

Erster Satz aus Anne Weber, Kirio. Credits: Hotel Wedina
Erster Satz aus Anne Weber, Kirio. Credits: Hotel Wedina
…und der erste Satz aus T. C. Boyles Grün ist die Hoffnung. Credits: Hotel Wedina

„Alle ersten Sätze haben mich fasziniert. Ich habe mich bei jedem Einzelnen gefragt, wie wohl der zweite Satz lautet und der dritte und wie entwickelt sich die ganze Geschichte. Ich war sofort neugierig auf das ganze Buch. Es war, als wartete in jedem Zimmer eine Premiere auf mich.

Ich hatte nur einen einzigen Versuch, mit meinen Farben auf die Lederschreibtischunterlage zu kalligraphieren. Ich liebe diesen Nervenkitzel, wenn der Schreibschwung in nur einer Chance sitzen muss. Bei der Kalligraphie darf man im Nachhinein nie etwas verbessern, sonst zerstört man die Harmonie des Wortbildes. Also habe ich das Zimmer auf mich wirken lassen, den Satz ein paar Mal gesprochen, tief durchgeatmet und meine Hand über das Leder gleiten lassen. Ich freue mich sehr, dass ich in den Zimmern meine Handschrift hinterlassen durfte.

Ein favorisierter erster Satz war eine Frage: ‚Wer ich bin?‘ Aber eigentlich war in jedem Zimmer der Satz, den ich gerade vor mir hatte, mein Lieblingssatz. Jeder auf seine Weise.“

Jeannine Platz, Kalligraphin
Kalligraphin Jeannine Platz. Credits: Hotel Wedina
Credits: Hotel Wedina

Die Künstlerin hat ihre Schrift und eigene Malereien unter anderem auf Containerschiffen hinterlassen.

Zu den Autorengästen des Hotel Wedina, das inmitten Hamburgs Ruhe und einen Garten bietet, gehörten schon T.C. Boyle, Joanne K. Rowling oder Alfred Brendel. Von Autoren, die das Haus kennen, stammen auch die zehn „humorig-schrägen“ Gute Nacht-Geschichten im gleichnamigen hoteleigenen Buch. Es entführt nicht nur die Hotelgäste in die Nacht: Die Geschichten, u.a. von Sven Amtsberg und Nino Haratischwili exklusiv für das Hotel Wedina geschrieben, sind auch im Audioformat abrufbar.

Credits: Hotel Wedina

Weitere Informationen:

Hotel Wedina, Gurlittstr. 23, 20099 Hamburg, info@hotelwedina.de

Jeannine Platz, Kalligraphin

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