Wenn sie nicht zeichnet, schreibt oder anderen das Zeichnen beibringt, träumt die US-Künstlerin Elizabeth Haidle vom Sommer in den Bergen des nördlichen New Mexico, USA. Wir haben uns über das Schreiben, die Pandemie und ihre besten kreativen Routinen unterhalten (Spoiler: früh aufstehen und eiskalt duschen).
Liebe Beth, welche Routinen bringen dich als Kreative am besten ins Tun?
Elizabeh Haidle: Normalerweise durch Auszeiten, Retreats. Da kann ich mich mal ganz auf Bücher und neue Ideen konzentrieren. Wenn ich nicht unterwegs sein kann, stehe ich morgens auf, wenn es noch dunkel ist, mache es mir zwischen Kissen und Decken gemütlich und versuche, alles, was in meinem Kopf ist, direkt aufs Papier in meinem Skizzenbuch fließen zu lassen!
Was brauchst du für eine kontinuierliche kreative Routine?
Elizabeth Haidle: Körperliche Müdigkeit ist der größte Feind des kreativen Arbeitens. Das ist mir jetzt klar geworden. Es gibt da ein paar Tricks, die mich davon abhalten, zu müde zu werden – manche sind langweilig, etwa zeitiges Schlafengehen (und Koffein-Abstinenz), anderes ist aufregender oder auch furchtbarer, je nachdem: eine Minute eiskalt duschen. Ehrlic? Das wirkt Wunder und macht mich am Nachmittag wieder richtig fit! Ich habe den Tipp vor fünf Jahren mal bekommen und hätte nie geglaubt, ihn mal weiterzugeben.
Wie wichtig ist das Schreiben und die Pflege eines Journals für dich?
Elizabeth Haidle: Es ist mir erst jetzt wichtig geworden! Ich pflege jeden Morgen eine Schreibroutine, ich nenne das ‚automatisches Schreiben‘. Dazu trinke ich ein Glas warmes Zitronenwasser. Das ist das erste, was ich morgens etwa 10 bis 15 Minuten lang mache. Alles, was mir in den Sinn kommt, schreibe ich einfach auf, ohne den Stift abzusetzen, bis eine Seite voll ist. Ich lese diese Seiten nie. Sie sind so nachlässig geschrieben, würde jemand sie ansehen, würde er wahrscheinlich nur Bahnhof verstehen! Aber mir bedeutet es sehr viel, weil mein Kopf dadurch zur Ruhe kommt, ich denke gemächlicher – durch das Schreiben von Hand. Es geht viel langsamer als Tippen oder Reden und sendet eine Botschaft an mein Hirn: Ich bin in der Lage, etwas Schwieriges zu meistern. Schreiben geht mir nämlich nicht leicht von der Hand. Ich kann also nicht einmal sagen, dass ich den Prozess genieße.
Du arbeitest als Art-Direktorin für das Illustoria Magazine, ein kreatives Magazin für Kinder. Welche der Geschichten darin gefällt dir am besten?
Elizabeth Haidle: Meinst du das allgemein oder von denen, die ich darin veröffentlicht habe? Ich mag den Beitrag über Zooplankton in der Ausgabe „CREATURES“, geschrieben von Jamylese Ryer und illustriert von Lan Truong. Von meinen eigenen Beiträgen gefällt mir der über den Bunten Fangschreckenkrebs für unsere „COLOR“-Ausgabe, den Julia McNamara illustriert hat. Beides sind illustrierte Aufsätze. Von den Comics mochte ich gern Marina Muuns Comic The Rock Garden in unserer Ausgabe „SYMBOLS“ und meinen Comic Literary Giants & Snacks in unserer „FOOD“-Ausgabe. Für die Geschichte recherchierte ich alles über Schriftsteller des Genres Horror und fand heraus, was sie so snacken, während sie ihre Horrorgeschichten schreiben!
Wie bleibst du während der Pandemie kreativ?
Mir hilft der Draht zu anderen auf Instagram, die sich kreativ mit der Krise auseinandersetzen. Gespräche mit Menschen auf der ganzen Welt sind wertvoll für mich. Sie vermitteln mir das Gefühl, dass wir unsere kreativen und fruchtbaren Energien darauf verwenden können, in Verbindung zu sein, zu heilen, nützlich zu sein und unsere Aufmerksamkeit auf die Veränderungen zu richten, die wir erreichen wollen.
Elizabeth Haidle
Auch Hobbies sind wirklich wichtig! Zum Beispiel dient mir gerade alles aus Wolle, das mir in meinem Haus über den Weg läuft, als Objekt für Farbstickereien: ob Hut, Decke oder Kissenbezug.
Ich gehe außerdem sehr viel spazieren. Sogar wenn es langweilig ist oder immer dieselbe Route, oder auch bei Wind und Wetter. Ich gehe täglich, manchmal zwei Mal. Ich muss in Bewegung sein, es hilft auch den Augen. Nur drinnen zu sein, viel zu zeichnen und älter zu werden ist nicht gut für mein Augenlicht. Also gehe ich aus zwei Gründen: um draußen zu sein und um meine Augen spazieren zu führen. Ich würde auch lieber in meiner Phantasie umherschwimmen, während ich am Tisch sitze. Aber die Wahrheit ist: Unsere Körper sind der Container für all unser Denken. Diese Pandemie hat mich dazu gebracht, mich mehr auf ihn zu fokussieren – und meinen Körper gut zu behandeln. Außerdem sind Comics in meinem Journal wichtig geworden. Ich schreibe sie, um mich selbst zu unterhalten und um bedeutende Momente unvergesslich zu machen. Viele Fotos mache ich nicht. Ich dokumentiere die Dinge eben über Comics.
Merkwürdigerweise bekam ich von einer luxuriösen Brand, Rock Soup, die Chance, diese kreativen Emotions-Pyjamas entwerfen. Sie wirken bei jedem Tragen geradezu therapeutisch auf mich!
Elizabeth Haidle
Was sind deine Pläne und Vorsätze für 2021?
Elizabeth Haidle: Meine Online-Illustrationskurse. Sie beinhalten experimentelle Übungen, die einen dazu bringen, anders zu denken, zum Beispiel auch die eigene künstlerische Praxis zu hinterfragen. Ich nenne das ‚Persönliche Kraftsymbole illustrieren‘ (PPS I).
Außerdem kommt im April 2021 mein Tarot Deck für jedes Alter bei Lawrence King heraus, ebenso mein Buch Before They Were Artists. Famous Illustrators as Kids (Houghton Publishing).
Ganz aufregend finde ich die Chance, eine Reihe eigener Illustrationen aus Zeichenstunden für Fantagraphics Books zusammenzustellen. Es kommt um 2023 heraus. Außerdem beginne ich gerade meine Illustrationen für ein Buch über die Installationskünstler Christo und Jeanne-Claude. Ansonsten hoffe ich, den ganze Juli 2021 campend in den nördlichen Bergen New Mexicos verbringen zu können. Ich habe früher dort gelebt.
Herzlichen Dank, liebe Beth! Bleib gesund!
Hier gibt es noch mehr Informationen über Elizabeth Haidle.
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