Immer mehr Menschen verzichten auf Stift und Papier. Zum Glück gibt es Zeitungen, die das stille Sterben einer Kulturerrungenschaft aufgreifen: der des Schreibens. Das heisst natürlich nicht, dass wir uns damit abfinden sollten.
„Die Handschrift soll Gedanken fliegen lassen“, sagte Cornelia Funke vor knapp vier Jahren in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie schreibe die erste Fassung ihrer Manuskripte stets von Hand, erzählte sie. Unvorstellbar? Wohl ja: Die menschliche Handschrift als kulturtechnische Errungenschaft droht zu verschwinden. Sie tut das relativ still. Der Fortschritt bringt sie an den Rand ihrer Existenz. Immer weniger Schüler, heisst es, schreiben souverän von Hand in verbundener Schreibschrift. Und immer weniger Schulen verlangen ihnen das ab. Die Meinung einer weltbekannten Kinderbuchautorin tut da kaum etwas zur Sache. Leider. Dabei hat sie Recht.
Das Schreiben bringt uns zu uns selbst
Das Schreiben ist ein Akt der Selbstvergewisserung. Mit ihm gehen wir den Dingen genauer auf den Grund. Wir nehmen uns über den körperlichen Akt des Schreibens sozusagen auch selbst wahr, unseren Händen sei Dank. Verschiedene Studien weisen die motorisch wichtigen Effekte nach. Ebenso lohnt sich ein Blick auf unsere Geschichte des schreibenden Menschen. Die skizzierte im Dezember die Journalistin Katrin Zeug in einem lesenswerten Beitrag auf ZEIT ONLINE.
Am Wochenende des 10./11. März 2018 stand ein Zeitungsbeitrag zum „Ende der Tinte“ von Katrin Blawat in der Süddeutschen Zeitung. Titel: „Schreib mal wieder“. Die Texanerin Jackie Dove hat hier gerade ein Gegenbeispiel abgegeben. Sie liebt Tinte. Nun dieser Beitrag im „Wissen“-Teil der der SZ, der sich dem Thema ausführlich widmet. Hier leben sie wieder auf, die Handschriften, die wir alle noch gelernt haben. Die meisten Kinder lernen sie in der Grundschule weiterhin. Dennoch, etwas geht zu Ende. Sind wir die letzten unserer Art?
Nicht totzukriegen: meine Freude über die Handschrift
In den Achtziger Jahren habe ich die Rückseiten meiner handgeschriebenen Briefe mit kleinen kuvertförmigen Aufklebern verstehen („Schreib mal wieder“), in die man seine Absenderadresse hineinschreiben konnte. Die Sticker verschenkte die Deutsche Post. Meine Brieffreundschaften hielten Jahre. Vermutlich kennt kaum noch einer diese spezielle Vorfreude auf die Post. Es gibt Social Media und E-mail. Ich nutze sie selbst und bin froh darüber. Die Freude über einen Brief von Hand ersetzen die Kanäle aber nicht.
Ich stimme daher vorsorglich gegen den Abgesang. Mir sind viele Freunde des geschriebenen Wortes bekannt. Es gibt überall auf der Welt diese spezielle Zuneigung zu den schönen Dingen, die die Handschrift und das Schreiben voraussetzen. Noch.
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